 | BSG vom 24.11.2005: Rentenversicherung beherrschender
geschäftsführender Gesellschafter |
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BUNDESSOZIALGERICHT, Urteil vom 24.11.2005, Aktz. B 12 RA 1/04 R:
"
Rentenversicherung - Versicherungspflicht - Alleingeschäftsführer bzw
Alleingesellschafter einer GmbH - Ein-Mann-GmbH - juristische Person -
natürliche Person - arbeitnehmerähnlicher Selbstständiger
Leitsätze
GmbH-Geschäftsführer sind als selbstständig Erwerbstätige
rentenversicherungspflichtig, wenn sie selbst keinen
versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen und im Wesentlichen
nur für die GmbH tätig sind.
Tatbestand
1 Die Beteiligten streiten im Wesentlichen über die
Rentenversicherungspflicht des Klägers als sog arbeitnehmerähnlicher
Selbstständiger.
2 Der 1948 geborene Kläger ist Alleingesellschafter und alleiniger
Geschäftsführer der 1995 gegründeten Unternehmensberatung J. H. GmbH.
Bei dieser sind keine anderen Mitarbeiter beschäftigt. Der Kläger
entrichtete freiwillige Beiträge zur Beklagten.
3 Im Rahmen einer Prüfung der Versicherungspflicht gab der Kläger im
November 2000 gegenüber der Beklagten ua an, seine Tätigkeit als
Unternehmensberater im Umfang von mehr als 15 Stunden wöchentlich und
nur für einen Auftraggeber, damals die L. GmbH & Co. KG in B.,
auszuüben. Er beschäftige keinen Arbeitnehmer und beziehe ein
Geschäftsführergehalt in Höhe von 15.000,00 DM monatlich zuzüglich der
Nutzung eines Kraftfahrzeuges. Der Kläger legte als Nachweise eine
Gehaltsbescheinigung für den Monat Oktober 2000, einen Auszug aus dem
Handelsregister sowie den Gesellschaftsvertrag vor.
4 Mit Bescheid vom 30. Januar 2001 stellte die Beklagte die
Versicherungspflicht des Klägers auf Grund seiner selbstständigen
Tätigkeit als Unternehmensberater für die Zeit ab dem 1. Januar 1999
fest und forderte unter Zugrundelegung des Regelbeitrags für die Zeit
vom 1. Januar 1999 bis 31. Januar 2001 die Zahlung rückständiger
Beiträge in Höhe von 21.656,60 DM. Dem standen für denselben Zeitraum
geleistete freiwillige Beiträge in Höhe von 41.673,30 DM gegenüber, über
deren "Umwandlung bzw Rückerstattung" mit gesondertem Bescheid
entschieden werden sollte. Widerspruch und Klage des Klägers sind
jeweils erfolglos geblieben (Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 13.
Juni 2001, Urteil des Sozialgerichts Itzehoe <SG> vom 16. Oktober 2002).
5 Auf den Antrag des Klägers, einkommensgerechte Beiträge zu zahlen,
erteilte ihm die Beklagte unter dem 6. März 2003 einen neuen
Beitragsbescheid.
6 Auf die Berufung des Klägers hat das Schleswig-Holsteinische
Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 27. Oktober 2003 das Urteil des
SG, den Ausgangsbescheid der Beklagten vom 30. Januar 2001 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juni 2001 sowie den
Beitragsbescheid vom 6. März 2003 aufgehoben. Zur Begründung hat es im
Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Der Kläger übe als
Alleingesellschafter und Geschäftsführer der GmbH, die keine weiteren
Mitarbeiter beschäftige, zwar eine selbstständige Tätigkeit aus. Diese
sei jedoch nicht arbeitnehmerähnlich. Eine solche alleinunternehmerische
Ein-Mann-GmbH falle nicht unter § 2 Satz 1 Nr 9 Sechstes Buch
Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI). Da die GmbH
einerseits als juristische Person selbst rechtsfähig sei und als
Unternehmer am Markt auftrete, insbesondere die Verträge mit den
Auftraggebern schließe, andererseits aber nicht als
rentenversicherungspflichtiger Adressat in Betracht komme, entstehe das
Problem des § 2 Satz 1 Nr 9 SGB VI für die GmbH selbst nicht. Personen
im Sinne der Vorschrift seien nur natürliche. § 2 Satz 1 Nr 9 SGB VI sei
als Ausnahmevorschrift eng auszulegen und auf juristische Personen nicht
anwendbar. Der einzige Gesellschafter, der auch gleichzeitig alleiniger
Geschäftsführer der Gesellschaft sei, komme wiederum als
rentenversicherungspflichtiges Rechtssubjekt nicht in Betracht, weil
seine persönliche Haftung und damit seine Inanspruchnahme nach § 13 Abs
2 GmbH-Gesetz (GmbHG) ausscheide und der Geschäftsführer einer
Ein-Personen-GmbH nicht zu dem versicherungspflichtigen Personenkreis
zähle, da er als alleiniger Gesellschafter beherrschenden Einfluss auf
die Gesellschaft habe (Hinweis auf Hohmeister in NZS 1999, 213). Die
Versicherungspflicht könne auch nicht etwa dann in der Person des
Gesellschafters eintreten, wenn die Voraussetzungen des § 2 Satz 1 Nr 9
SGB VI durch die GmbH erfüllt würden. Eine Gesetzesumgehung liege
insofern nicht vor.
7 Die Beklagte wendet sich hiergegen mit der Revision. Unstreitig sei,
dass das Tatbestandsmerkmal "Personen" in § 2 Satz 1 Nr 9 SGB VI allein
natürliche Personen erfasse und daher folgerichtig auch der Kläger - und
nicht etwa die GmbH - als rentenversicherungspflichtig eingestuft worden
sei. Auf der Grundlage der für das Sozialversicherungsrecht maßgeblichen
tatsächlichen Verhältnisse könne es allein darauf ankommen, dass nur der
Gesellschafter-Geschäftsführer - und nicht die von ihm geleitete GmbH -
im Rechtsverkehr auftrete und müsse deren rechtliche Existenz - ebenso
wie nach ständiger Rechtsprechung bei der Prüfung von
Versicherungspflicht auf Grund abhängiger Beschäftigung -
"hinwegfingiert" werden. Ein Abstellen auf die GmbH diene demgegenüber
letztlich nur der Gesetzesumgehung. Schließlich spreche auch § 165 Abs 3
SGB VI dafür, dass sich die Rentenversicherungspflicht auch auf
selbstständig mitarbeitende Gesellschafter einer GmbH erstrecken könne.
Damit sei vorliegend der Tatbestand des Buchst b in § 2 Satz 1 Nr 9 SGB
VI erfüllt.
8 Die Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Berufung gegen das Urteil
des SG Itzehoe vom 16. Oktober 2002 zurückzuweisen.
9 Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
10 Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Auffassung der
Beklagten führe zu vom Gesetzgeber weder vorhergesehenen noch
gewünschten Ergebnissen.
Entscheidungsgründe
11 Die Revision der Beklagten erweist sich als begründet, soweit sie in
den angefochtenen Bescheiden die Versicherungspflicht des Klägers als
sog arbeitnehmerähnlicher Selbstständiger festgestellt hat. Insofern war
das der Klage stattgebende Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung
des Klägers gegen das Urteil des SG zurückzuweisen. Die Revision der
Beklagten erweist sich darüber hinaus im Sinne der Aufhebung des
Berufungsurteils und der Zurückverweisung der Sache an das LSG als
begründet, als dieses die Verwaltungsakte der Beklagten zu
Beitragspflicht und Beitragshöhe sowie das Urteil des SG aufgehoben hat.
Insofern fehlt es bisher an ausreichenden Feststellungen.
12 1. Die Beklagte hat im Ergebnis zutreffend die
Rentenversicherungspflicht des Klägers ab dem 1. Januar 1999
festgestellt. Einziger "Auftraggeber" des ohne Arbeitnehmer
selbstständig tätigen Klägers ist die J. H. GmbH, deren einziger
Gesellschafter und Alleingeschäftsführer er gleichzeitig ist. Die
Erfüllung dieser notwendigen und hinreichenden Voraussetzungen belegt
die Zugehörigkeit des Klägers zum versicherten Personenkreis und seine
vom Gesetz typisierend zu Grunde gelegte Schutzbedürftigkeit, ohne dass
weitere Gesichtspunkte zu prüfen wären. Weder kommt es daher für die
Frage der Versicherungspflicht zusätzlich auf eine konkrete
wirtschaftliche Schutzbedürftigkeit des Klägers an, noch sind sonstige
Außenbeziehungen der GmbH von Bedeutung.
13 a) Zutreffend hat das LSG allerdings entschieden, dass der Kläger als
Geschäftsführer im maßgeblichen Verhältnis zu "seiner" GmbH nicht
abhängig beschäftigt ist. Schon, wer auf Grund einer Sperrminorität oder
weil er Mehrheitsgesellschafter ist, kraft seiner
gesellschaftsrechtlichen Stellung als Geschäftsführer-Gesellschafter in
der Lage ist, ihm nicht genehme Entscheidungen der Gesellschaft zu
verhindern, ist nicht abhängig beschäftigt (Bundessozialgericht <BSG>
vom 18. April 1991, 7 RAr 32/90, SozR 3-4100 § 168 Nr 5 S 8 und vom 8.
Dezember 1994, 11 RAr 49/94, SozR 3-4100 § 168 Nr 18 S 45, vom 30. Juni
1999, B 2 U 35/98 R, SozR 3-2200 § 723 Nr 4 S 15 mwN, vom 17. Mai 2001,
B 12 KR 34/00 R, SozR 3-2400 § 7 Nr 17 S 57). Erst recht ist in seiner
dienstvertraglichen Stellung nicht persönlich abhängig, wem - wie dem
Kläger als Alleingesellschafter - gesellschaftsrechtlich und innerhalb
der Grenzen des Rechts eine unbeschränkte Gestaltungsmacht zukommt.
Seine Selbstständigkeit liegt damit umgekehrt auf der Hand. Der Kläger
allein bestimmt als Organ die interne Willensbildung und vertritt die
Gesellschaft nach außen. Ein von seinem abweichender Wille der GmbH und
eine Bindung hieran sind ausgeschlossen (vgl BSG vom 6. März 2003, B 11
AL 25/02 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 1 S 3 f mwN). Soweit das
dienstvertragliche Verhältnis der GmbH zum Kläger als natürlicher Person
betroffen ist, ist daher im Blick auf die einheitliche Willensbildung in
den verschiedenen Funktionskreisen eine Weisungsabhängigkeit
hinsichtlich Zeit, Dauer und Ort der Arbeitsausführung oder auch nur
eine funktionsgerecht dienende Teilhabe an einem jedenfalls durch fremde
Organisation vorgegebenen Arbeitsprozess von vornherein ausgeschlossen (vgl
entsprechend zur wirtschaftlichen Selbstständigkeit des
geschäftsführenden Alleingesellschafters einer GmbH im
Insolvenzverfahren Bundesgerichtshof <BGH> vom 22. September 2005, IX ZB
55/04, WM 2005, 2191; zur Rechtsnatur der Bezüge eines
Mehrheitsgesellschafters und Alleingeschäftsführers als Arbeitseinkommen
aus selbstständiger Tätigkeit iS von § 15 Viertes Buch Sozialgesetzbuch
(SGB IV) BSG vom 14. Dezember 1995, 2 RU 41/94, SozR 3-2200 § 560 Nr 2 S
10 f).
14 b) Der als Rechtsgrundlage für die Versicherungspflicht des Klägers
in seiner Tätigkeit für die GmbH danach allein in Betracht kommende § 2
Nr 9 SGB VI begründete zunächst idF durch Art 3 Nr 4 des Gesetzes zu
Korrekturen in der Sozialversicherung und zur Sicherung der
Arbeitnehmerrechte vom 19. Dezember 1998 (BGBl I 3843)
Versicherungspflicht ab dem 1. Januar 1999 für selbstständig tätige
Personen, die im Zusammenhang ihrer selbstständigen Tätigkeit mit
Ausnahme von Familienangehörigen (§ 7 Abs 4 Satz 3 SGB IV) keinen
versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen sowie regelmäßig und
im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind (sog
arbeitnehmerähnliche Selbstständige). Durch Art 2 Nr 1 Buchst a des
Gesetzes zur Förderung der Selbstständigkeit vom 20. Dezember 1999 (BGBl
2000 I 2) wurde § 2 (nunmehr Satz 1) Nr 9 SGB VI in der Weise
rückwirkend zum 1. Januar 1999 geändert, dass selbstständig tätige
Personen versicherungspflichtig sind, die a) im Zusammenhang mit ihrer
selbstständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen
Arbeitnehmer beschäftigen, dessen Arbeitsentgelt aus diesem
Beschäftigungsverhältnis regelmäßig 630 Deutsche Mark im Monat
übersteigt, und b) auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen
Auftraggeber tätig sind (vgl zur Begründung BT-Drucks 14/1855 S 8 f).
Seither sind Änderungen nur noch hinsichtlich der Entgeltgrenze in
Buchst a erfolgt (vgl Art 7 Nr 2 4. Euro-Einführungsgesetz vom 21.
Dezember 2000, BGBl I 1983, und Art 4 Nr 1 Buchst a Buchst bb des
Zweiten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.
Dezember 2002, BGBl I 4621).
15 c) § 2 Satz 1 Nr 9 SGB VI regelt allein die Versicherungspflicht
natürlicher Personen. Die Vorschrift spricht mit "Personen"
gleichermaßen im Hauptsatz hinsichtlich der Rechtsfolge und im Nebensatz
hinsichtlich ihrer tatbestandlichen Voraussetzungen jeweils denselben
Kreis von Betroffenen an. Schon weil das gesamte Leistungsprogramm der
gesetzlichen Rentenversicherung (§ 23 Erstes Buch Sozialgesetzbuch -
Allgemeiner Teil <SGB I>; §§ 9 ff SGB VI) offensichtlich allein auf
natürliche Personen abstellt, kann es sich hierbei jeweils nur
einheitlich um natürliche Personen handeln. Dieser Umstand schließt es
gleichzeitig von vornherein aus, die Tatbestandsvoraussetzungen des § 2
Satz 1 Nr 9 SGB VI zunächst auch in Bezug auf eine juristische Person zu
prüfen, um dann die Rechtsfolge der Versicherungspflicht bei einer
beteiligten natürlichen Person eintreten zu lassen (vgl in diesem Sinne
aber etwa Brand, DB 1999, 1162, 1168). Vielmehr gebietet die auch im
Sozialversicherungsrecht zu beachtende jeweils eigenständige
Rechtssubjektivität von natürlicher und juristischer Person ihre
Unterscheidung auch in ihrer Beziehung zueinander.
16 d) Die Versicherungspflicht des Klägers in seiner selbstständigen
Tätigkeit ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil er als Geschäftsführer
für die GmbH tätig ist. Soweit Grundlage der Versicherungspflicht in § 2
Satz 1 Nr 9 SGB VI die Beziehung des Versicherungspflichtigen zu einem
anderen Rechtssubjekt ("Auftraggeber") ist, kommt insofern auch eine
juristische Person als Partner in Betracht. Versicherter und
"Auftraggeber" bleiben indes auch dann selbstverständlich zu
unterscheiden. Entgegen der Revision kommt es daher bei Prüfung der
Frage, wer "Auftraggeber" iS des § 2 Satz 1 Nr 9 SGB VI der jeweiligen
selbstständig erwerbstätigen natürlichen Person ist, nicht in Betracht,
die Rechtspersönlichkeit beteiligter juristischer Personen - wie hier
der J. H. GmbH - "hinwegzufingieren" und anschließend das Resultat
dieser Vorgehensweise allein der natürlichen Person zuzuordnen.
Insbesondere schließt insofern der Umstand, dass der Kläger
grundsätzlich nicht für Schulden der Gesellschaft haftet (§ 13 Abs 2 des
Gesetzes betreffend die Gesellschaft mit beschränkter Haftung <GmbHG>),
nicht seine Haftung gegenüber der Gesellschaft aus. Das
Berufungsgericht, das seine entsprechende Argumentation jeweils
wortgetreu von Hohmeister (NZS 1999, 213, 214 f) übernommen hat,
verkennt dies ebenso wie den Umstand, dass das Fehlen einer abhängigen
Beschäftigung die Versicherungspflicht nicht ausschließt, wo der
gesetzliche Tatbestand gerade eine selbstständige Erwerbstätigkeit
fordert.
17 Die Ergebnisse seiner selbstständigen Tätigkeit, die der Kläger als
deren Erfüllungsgehilfe und ohne eigene Arbeitnehmer gegenüber Dritten
erbringt, kommen dauerhaft und allein der J. H. GmbH zugute. Sie ist
damit der allein in Betracht kommende "Auftraggeber" im Sinne des § 2
Satz 1 Nr 9 SGB VI. Darauf, mit welchen und wie vielen Partnern der
Auftraggeber seinerseits gleichzeitig in wirtschaftlichem und/oder
rechtlichem Kontakt steht, kommt es demgegenüber nicht an. Insofern
fehlt es an der erforderlichen Rechtsgrundlage für eine Zuordnung, die
im Einzelfall die unterschiedliche Rechtssubjektivität überbrücken
könnte.
18 Im Gegenteil besteht verfassungsrechtlich wie einfachgesetzlich auch
im hieran anknüpfenden Sozialrecht eine grundsätzliche Verpflichtung,
die vom bürgerlichen Recht gewährleistete und ausgestaltete
eigenständige Existenz und Handlungsfähigkeit juristischer Personen
rechtlich zu Grunde zu legen. Eine spezialgesetzliche Ermächtigung, von
den vom Parlaments-Gesetzgeber mit Schaffung des GmbHG getroffenen
grundsätzlichen Wertungen abzuweichen, fehlt. Die abweichende Auffassung
kann sich auch nicht etwa auf eine entsprechende richterliche
Rechtsfortbildung durch das BSG berufen. Insbesondere beruht die
Rechtsprechung des BSG zur selbstständigen Tätigkeit des sog
Gesellschafter-Geschäftsführers nicht auf der fehlenden Anerkennung der
Eigenständigkeit der GmbH als juristischer Person.
19 aa) Die Existenz und Vielfalt der Erscheinungsform juristischer
Personen sind Ausdruck der grundsätzlichen Verpflichtung des
Gesetzgebers aus Art 9 Abs 1 Grundgesetz (GG), das Vereins- und
Gesellschaftsrecht so auszugestalten, dass ein Ausgleich von freier
Assoziation und Selbstbestimmung der Vereinigungen unter
Berücksichtigung der Notwendigkeit eines geordneten Vereinslebens und
schutzwürdiger sonstiger Belange gewährleistet ist
(Bundesverfassungsgericht <BVerfG> vom 1. März 1979, 1 BvR 532/77 ua,
BVerfGE 50, 290, 355). Die auf dieser Grundlage ermöglichte inländische
juristische Person ist rechtsfähig und nimmt gleichwertig mit den
natürlichen Personen am Rechtsleben teil (BVerfG vom 25. Oktober 1966, 2
BvR 506/63, BVerfGE 20, 323). Sie hat aus Art 19 Abs 3 GG iVm Art 3 Abs
1 GG einen grundsätzlichen - wenn auch nicht schematischen - Anspruch
auf Gleichbehandlung mit natürlichen Personen (BVerfG vom 3. Juli 1973,
1 BvR 153/69, BVerfGE 35, 348, 357) und kann sich daneben unter anderem
auf die Grundrechte aus Art 5 GG (BVerfG vom 4. April 1967, 1 BvR
414/64, BVerfGE 21, 271, 277, vom 24. Februar 1971, 1 BvR 435/68,
BVerfGE 30, 173, 191), Art 12 GG (BVerfG vom 29. November 1967, 1 BvR
175/66, BVerfGE 22, 380, 383 mwN) und Art 14 GG (BVerfG vom 1. März
1979, 1 BvL 21/78, BVerfGE 50, 290, 341) sowie insbesondere auf das
Grundrecht der wirtschaftlichen Entfaltungsfreiheit aus Art 2 Abs 1 GG
(BVerfG vom 29. Juli 1959, 1 BvR 394/58, BVerfGE 10, 89, 89, vom 14.
Oktober 1970, 1 BvR 306/68, BVerfGE 29, 260, 265, vom 25. Januar 1984, 1
BvR 272/81, BVerfGE 66, 116, 130, vom 3. Mai 1994, 1 BvR 737/94, NJW
1994, 1784 = DB 1994, 1350, jeweils mwN) berufen. Dies führt etwa
hinsichtlich des Eigentums dazu, dass zunächst das Eigentum der
juristischen Person vom Anteilseigentum der Gesellschafter zu
unterscheiden ist und letzteres als gesellschaftsrechtlich vermitteltes
Eigentum auch bei einer geringen Gesellschafterzahl den Eigentümer
regelmäßig auf eine Nutzung des Vermögenswerts und eine mittelbare
Verfügungsbefugnis über die Organe der Gesellschaft beschränkt, das
heißt anders als beim Sacheigentum der Gebrauch des Eigentums und die
Verantwortung hierfür auseinander fallen (BVerfG vom 1. März 1979, 1 BvL
21/78 ua, BVerfGE 50, 290, 341 f).
20 bb) Dem entspricht einfachgesetzlich die selbstständige Inhaberschaft
von Rechten und Pflichten der GmbH (§ 13 Abs 1 GmbHG) sowie die -
grundsätzliche - Haftungsbeschränkung auf das Gesellschaftsvermögen (§
13 Abs 2 GmbHG). Über die Rechtsfigur der juristischen Person darf nicht
leichtfertig und schrankenlos hinweggegangen werden (stRspr vgl etwa BGH
vom 13. November 1973, VI ZR 53/72, BGHZ 61, 380, 383 mwN). Dies gilt
ebenso für die rechtliche Verschiedenheit zwischen der - seit der
GmbH-Novelle des Jahres 1980 (Gesetz vom 4. Juli 1980, BGBl I 836)
ausdrücklich (zB § 1 GmbHG) geregelten - Ein-Mann-GmbH und ihrem
Alleingesellschafter, die nur in besonderen Ausnahmefällen durchbrochen
werden darf (vgl hierzu allg etwa BGH vom 13. November 1973, VI ZR
53/72, BGHZ 61, 380, 383 mwN). Insofern hat der BGH in seiner
Entscheidung vom 16. Oktober 2003, IX ZR 55/02, BGHZ 156, 310, 314 mwN)
zusammenfassend darauf hingewiesen, dass über der "wirtschaftlichen
Identität" zwischen der Ein-Mann-GmbH und dem Alleingesellschafter die
grundlegenden gesetzlichen Regelungen der rechtlichen Verhältnisse nicht
vernachlässigt werden dürften. Hinsichtlich des Gesellschaftsvermögens
und des Privatvermögens gelte das Trennungsprinzip. Für
Gesellschaftsschulden hafte nur die GmbH mit ihrem Vermögen (§ 13 Abs 2
GmbHG), für persönliche Schulden allein der Gesellschafter selbst. GmbH
und Alleingesellschafter seien nicht nur selbstständige, voneinander
grundsätzlich unabhängige Rechtsträger, sie verfügten auch über
gesonderte Vermögensmassen, die unterschiedlichen Gläubigern hafteten.
Schon deshalb müsse die GmbH - wie im dort entschiedenen Fall - in der
Lage sein, Eingriffe von persönlichen Gläubigern ihres Gesellschafters
in ihr Vermögen mit der Drittwiderspruchsklage abzuwehren. Auch im
Verhältnis zwischen Ein-Mann-GmbH und Alleingesellschafter komme es auf
die rechtliche Zuordnung der einzelnen Gegenstände an. Auch wenn daher
die praktische Durchführung des Verkehrs zwischen
Alleingesellschafter/-geschäftsführer und GmbH naturgemäß der
Formenstrenge nur unterliegt, soweit dies gesetzlich unabdingbar ist bzw
Darlegungs- und Beweislast entsprechend vermindert sind, ändert dies
nichts daran, dass es im Blick auf die rechtliche Verschiedenheit der
Personen und ihrer Rechtspositionen - zB für die Geltendmachung eines
Schadensersatzanspruchs der GmbH durch den Geschäftsführer im eigenen
Namen - einer wirksamen Abtretung der entsprechenden Rechte an ihn oder
zumindest seiner Ermächtigung im Sinne einer gewillkürten
Prozessstandschaft bedarf (BGH vom 8. März 2004, II ZR 316/01, DB 2004,
1418 = BB 2004, 1359). Schließlich kann etwa die GmbH den Schädiger auf
Zahlung des Bruttoentgelts in Anspruch nehmen, wenn ihr durch eine von
diesem verursachte unfallbedingte Dienstunfähigkeit des
Alleingeschäftsführers/-gesellschafters ein Ausfall in Höhe
weiterbezahlten Entgelts entstanden ist (BGH vom 9. März 1971, VI ZR
158/69, LM Nr 8 zu § 842 BGB = VersR 1971, 570).
21 cc) Diesen grundlegenden Gegebenheiten trägt seit jeher auch die
Rechtsprechung des BSG zur Versicherungspflicht von Gesellschaftern und
Geschäftsführern einer GmbH auf Grund abhängiger Beschäftigung Rechnung.
Schon weil es selbstwidersprüchlich wäre, von einer "Beziehung" des
(potenziell) Versicherungspflichtigen zur juristischen Person GmbH zu
sprechen, würde letztere im Sinne der Revision "hinwegfingiert", ist die
GmbH in Anknüpfung an die bürgerlich-rechtliche Ordnung stets auch hier
als rechtlich und sachlich von der natürlichen Person zu unterscheidende
eigenständige Person verstanden worden. Folgerichtig ist das im Zentrum
des Interesses stehende Verhältnis beider zu einander jeweils darauf
befragt worden, inwieweit in ihm eine persönliche Abhängigkeit ihren
Ausdruck findet (vgl in grundsätzlicher Fortführung der Auffassung
bereits des Reichsversicherungsamts <RVA>, An 1936, IV 217 Nr 4988; EuM
40, 372, exemplarisch BSG vom 13. Dezember 1960, 3 RK 2/56, BSGE 13,
196, 198 ff = SozR Nr 5 zu § 1 AVG aF; vom 9. November 1989, 11 RAr
7/89, BSGE 66, 69, 70 ff = SozR 4100 § 104 Nr 19 S 35 ff; vom 18. April
1991, 7 RAr 32/90, SozR 3-4100 § 168 Nr 5 S 7 ff; vom 8. Dezember 1994,
11 RAr 49/94, SozR 3-4100 § 168 Nr 18, 45 ff; vom 17. Juni 1999, B 3 KR
1/98 R, SozR 3-5425 § 25 Nr 13 S 68; Urteile des Senats vom 23. Juni
1994, 12 RK 72/92, NJW 1994, 2974 = USK 9448, vom 18. Dezember 2001, B
12 KR 10/01 R, SozR 3-2400 § 7 Nr 20 S 78).
22 dd) Die juristische Person erlangt Handlungsfähigkeit durch ihre
Organe (§§ 35 ff GmbHG), deren Funktion durch natürliche Personen
ausgeübt wird. Soweit die Funktion des Geschäftsführers zur Vertretung
der Gesellschaft nach außen berechtigt (§ 35 Abs 1 GmbHG), handelt es
sich um einen Fall gesetzlicher Vertretung. Dies gilt auch, soweit eine
natürliche Person im Zusammenhang mit ein und derselben Beziehung
gleichzeitig als Geschäftsführer der GmbH für diese wie auch für sich
selbst handelt (zur Üblichkeit der Befreiung von den Beschränkungen der
§ 35 Abs 4 GmbHG, § 181 Bürgerliches Gesetzbuch <grundsätzliches Verbot
von Insichgeschäften> in derartigen Fällen BGH vom 8. März 2004, II ZR
316/01, DB 2004, 1418). Auch im Verhältnis einer Ein-Mann-GmbH zu ihrem
Alleingesellschafter/-geschäftsführer sind daher die beteiligten
Rechtssubjekte zu unterscheiden und die unterschiedliche Zuordnung der
einzelnen Gegenstände zu beachten (BGH vom 16. Oktober 2003, IX ZR
55/02, BGHZ 156, 310, 314 mwN). Das Sozialrecht folgt dem und entnimmt
nicht etwa ausnahmsweise dem Zusammentreffen mehrerer Funktionen in ein
und derselben natürlichen Person eine gleichzeitige "Verschmelzung" von
natürlicher und juristischer Person.
23 ee) Etwas anderes gilt insbesondere auch nicht im Blick auf die sog
Durchgriffshaftung (zu deren Voraussetzungen vgl zusammenfassend etwa
BSG vom 26. Januar 1978, 2 RU 90/77, BSGE 45, 279 = SozR 2200 § 723 Nr
4, und vom 27. September 1994, 10 RAr 1/92, SozR 3-7685 § 13 Nr 1).
Weder kann nämlich eine wesentlich zur Bewältigung von außergewöhnlichen
Problemlagen entwickelte Rechtsprechung schon ihrer Intention nach
ihrerseits generell das Verständnis der Rechtsfähigkeit der juristischen
Person GmbH abschließend festlegen, noch gibt es für den vorliegenden
Zusammenhang einschlägige spezialgesetzliche Ausnahmeregelungen. Die
zivilgerichtliche Rechtsprechung hat insbesondere für die Fallgruppen
der Vermögensvermischung und der (materiellen) Unterkapitalisierung
sowie allgemein dann, wenn eine Berufung auf die Selbstständigkeit der
juristischen Person mit Treu und Glauben unvereinbar ist, insbesondere
weil diese Rechtsfigur missbraucht oder dem Zwecke der Rechtsordnung
zuwider verwendet worden ist, ausnahmsweise die persönliche
Inanspruchnahme eines Gesellschafters für Schulden der Gesellschaft für
möglich erachtet (vgl zusammenfassend etwa BSG vom 27. September 1994,
10 RAr 1/92, SozR 3-7685 § 13 Nr 1 S 3 f). Dies wird seit langem auch
für die Ein-Mann-GmbH angenommen (vgl etwa BSG vom 26. Januar 1978, 2 RU
90/77, BSGE 45, 279 = SozR 2200 § 723 Nr 4). Umgekehrt kann dann, wenn
in einem Rechtsgebiet (hier dem Steuerrecht) grundsätzlich an die
bürgerlich-rechtliche Ausgestaltung angeknüpft wird, selbst durch Gesetz
nur ausnahmsweise ein "Durchgriff" auf Tatbestände im Kreis oder in der
Person der Gesellschafter erfolgen und damit die mit ihrer rechtlichen
Selbstständigkeit unvermeidlich verbundene eigene und einheitliche
Vermögens- und Erfolgsrechnung der juristischen Person durchbrochen
werden (vgl BVerfG vom 24. Januar 1962, 1 BvR 845/58, BVerfGE 13, 331,
340 f, zu ausnahmsweise gerechtfertigten Ausnahmen vgl andererseits
BVerfG vom 11. November 1964, 1 BvR 216/64, BVerfGE 18, 224).
Anhaltspunkte für das Vorliegen derartiger Konstellationen fehlen im
vorliegenden Fall. Eine erweiternde Anwendung des "Durchgriffs", von dem
stets nur mit aller Vorsicht Gebrauch gemacht werden darf (BSG vom 7.
Dezember 1983, 7 RAr 20/82, BSGE 56, 76, 82 = SozR 7685 § 13 Nr 1 mwN),
ist im Blick auf die Leitentscheidung des Gesetzgebers für eine
rechtliche Verselbstständigung der GmbH ausgeschlossen (BVerfG vom 24.
Januar 1962, aaO S 340). Selbst bei Vorliegen der sog
Durchgriffsvoraussetzungen wird der GmbH im Übrigen nichts von ihrer
Rechtssubjektivität genommen (ausdrücklich etwa Karsten Schmidt:
Gesellschaftsrecht, 3. Aufl 1997, S 232) und kommt es daher nicht etwa
zu einer "Vermengung der Rechtssubjekte" unter Aufgabe des
Trennungsprinzips. Vielmehr führt der "Durchgriff" allein dazu, dass
neben die GmbH für die Erfüllung gegen diese gerichteter Ansprüche (vgl
BSG vom 7. Dezember 1983, 7 RAr 20/82, BSGE 56, 76, 79 f = SozR 7685 §
13 Nr 1 mwN) ein weiterer Haftungsschuldner hinzutritt bzw die GmbH in
erweitertem Umfang in Anspruch genommen wird. Die Durchgriffshaftung
soll damit Dritte in eng begrenzten Fällen vor den Folgen der Trennung
von juristischer Person und Gesellschafter schützen. Gleiches gilt für
die Fallgestaltungen, die insbesondere in der Literatur als
Zurechnungsdurchgriff (vgl dazu Schmidt: Gesellschaftsrecht, 3. Aufl, S
235 ff; Raiser: Kapitalgesellschaften, 3. Aufl, § 29 RdNr 5;
Scholz/Emmerich: GmbH-Gesetz, 9. Aufl, § 13 RdNr 72 mwN) bezeichnet
werden. Die dafür genannten Beispiele - Anfechtung von Verträgen wegen
Irrtum über die Zuverlässigkeit des Gesellschafters oder Ausschluss des
gutgläubigen Erwerbs im Verhältnis von Gesellschaft und Gesellschafter
sowie die Maklerfälle, in denen ein Gesellschafter den Abschluss des
Geschäfts mit einer von ihm beherrschten Gesellschaft vermittelt -
betreffen den Schutz Dritter vor den im Einzelfall ungerechtfertigten
Folgen der Trennung von Gesellschaft und Gesellschafter. Soweit bei
Anwendung des § 2 Satz 1 Nr 9 SGB VI ein Auftragsverhältnis zwischen
Geschäftsführer und GmbH wegen der Gesellschafterstellung verneint
werden soll, wird aber kein außenstehender Dritter geschützt. Der Kläger
als Gesellschafter und Geschäftsführer will sich vielmehr den Folgen der
von ihm selbst mit der Gesellschaftsgründung herbeigeführten Rechtslage
entziehen. Dafür ist die Rechtsfigur der Durchgriffshaftung oder des
Zurechnungsdurchgriffs jedenfalls nicht geeignet.
24 e) Da der Kläger in seiner selbstständigen Tätigkeit zudem auch keine
Arbeitnehmer beschäftigt, sind alle Voraussetzungen der
Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr 9 SGB VI erfüllt. Einer
zusätzlichen Prüfung seiner "Arbeitnehmerähnlichkeit" bzw seiner
konkreten "Schutzbedürftigkeit" bedarf es nicht. Beide Aspekte haben in
den tatbestandlichen Voraussetzungen von § 2 Satz 1 Nr 9 SGB VI
abschließend ihren konkretisierenden Ausdruck gefunden.
25 Das Gesetz erfasst mit § 2 Satz 1 Nr 9 SGB VI einen neuen
Personenkreis, der typisierend für so schutzbedürftig gehalten wird,
dass dies einen Eingriff in die Vorsorgefreiheit (Art 2 Abs 1 GG)
rechtfertigt. Dem Parlaments-Gesetzgeber steht insofern eine weite
Gestaltungsfreiheit zu, die es ihm ermöglicht, den Kreis der
Versicherten jeweils so flexibel abzugrenzen, um gleichermaßen die
Leistungsfähigkeit der Solidargemeinschaft sicherzustellen als auch die
im Hinblick auf das versicherte Wagnis Schutzbedürftigen zu erfassen
(BVerfG vom 14. Oktober 1970, 1 BvR 307/68, BVerfGE 29, 221, 235 ff =
SozR Nr 7 zu Art 2 GG, vom 9. Februar 1977, 1 BvL 11/74, BVerfGE 44, 70,
89 f = SozR 5420 § 94 Nr 2). Der Einschätzung, dass typischerweise dann,
wenn Selbstständige im Zusammenhang mit ihrer selbstständigen Tätigkeit
keine versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen und sie im
Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind, "diese nicht weniger
sozial schutzbedürftig sind als die derzeit in § 2 Satz 1 Nr 1 bis 7 SGB
VI erfassten Selbstständigen" (BT-Drucks 14/45 S 20), wurde während der
Gesetzesberatungen - soweit ersichtlich - nicht widersprochen. Soweit
das geltende Recht hierauf beruht, bewegt es sich innerhalb des
aufgezeigten verfassungsrechtlichen Rahmens.
26 Ein unbestimmter rechtspolitischer Begriff des arbeitnehmerähnlichen
Selbstständigen hat im Gesetz selbst keinen Niederschlag gefunden. In §
2 Satz 1 Nr 9 SGB VI kommt die "Arbeitnehmerähnlichkeit" der betroffenen
Selbstständigen notwendig, aber auch stets hinreichend und abschließend
in den normativen und allein subsumtionsfähigen Kriterien der Tätigkeit
für einen Auftraggeber und der fehlenden Beschäftigung von Arbeitnehmern
in einem insgesamt versicherungspflichtigen Umfang zum Ausdruck. Nach
Inkrafttreten von § 2 (Satz 1) Nr 9 SGB VI kann daher in einem
rechtlichen Sinne von "arbeitnehmerähnlichen Selbstständigen" allenfalls
noch gesprochen werden, soweit hierunter eine Bezeichnung gerade für den
gesetzlichen Tatbestand ohne Verwendung der Gesetzessprache verstanden
wird.
27 Ebenso wenig bedarf im Rahmen des § 2 Satz 1 Nr 9 SGB VI einer
näheren Prüfung, ob gerade der Kläger im Blick auf seine konkrete
wirtschaftliche Lage "schutzbedürftig" ist. Für die Einbeziehung in die
Rentenversicherung ist nämlich nicht die wirkliche, sondern die
mutmaßliche Versicherungsbedürftigkeit entscheidend, die sich aus
allgemeinen Merkmalen und aus der durchschnittlichen Lebenslage der
betroffenen Bevölkerungsgruppe ergibt. Die Versicherungspflicht setzt
nicht die individuelle soziale Schutzbedürftigkeit jedes einzelnen
Versicherungspflichtigen voraus, sondern beruht auf der Erfüllung des
formalen gesetzlichen Tatbestandes, in dem nach Auffassung des
Gesetzgebers die soziale Schutzbedürftigkeit typisierend zum Ausdruck
kommt (vgl BVerfG vom 26. November 1964, 1 BvL 14/62, BVerfGE 18, 257,
270 = SozR Nr 55 zu Art 3 GG). Nicht anders als bei abhängig
Beschäftigten ist insofern im geltenden Recht auch für die auf Grund der
Ausübung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit Pflichtversicherten ohne
Belang, ob sie wegen ihrer individuellen wirtschaftlichen Schwäche zu
eigener Lebensvorsorge nicht fähig sind und daher einer Sicherung gegen
die Wechselfälle des Lebens durch die Zwangsversicherung bedürfen. Schon
wegen dieser grundsätzlichen Unerheblichkeit des konkreten ökonomischen
Sicherungsbedarfs kommt es im vorliegenden Zusammenhang insbesondere
auch nicht auf das Vermögen an, das der Kläger gerade als Gesellschafter
in Form seiner GmbH-Anteile innehat.
28 2. Die gegen dieses Ergebnis und seine Begründung vorgebrachten
Einwände greifen nicht durch. Wie dargelegt, bleibt der Gesetzgeber mit
der Einbeziehung des neuen Versichertenkreises der
"arbeitnehmerähnlichen Selbstständigen" innerhalb seines
Gestaltungsermessens. Allein maßgeblich ist insofern die Beziehung des
unter bestimmten Bedingungen selbstständig Tätigen zu seinem
Auftraggeber. Dagegen kommt eine Zurechnung der Verhältnisse des
Auftraggebers auch dann nicht in Betracht, wenn es sich - wie hier - um
eine im Alleineigentum des Versicherten stehende juristische Person
handelt. Einen besonderen "Normzweck" des § 2 Satz 1 Nr 9 SGB VI, der es
gebieten könnte, in Fällen der vorliegenden Art hinter dem vom Wortlaut
verkörperten Bedeutungsgehalt zurückbleiben und den Eintritt von
Versicherungspflicht ausnahmsweise von vorne herein auszuschließen, gibt
es nicht. Auch ist für die vom Kläger repräsentierte Personengruppe
nicht etwa aus Gesichtspunkten der Gleichbehandlung eine
spezialgesetzliche Rechtsfolgenreduktion geboten.
29 a) Ein Beleg dafür, dass entgegen der Auffassung des erkennenden
Senats Verhältnisse der juristischen Person GmbH versicherungsrechtlich
auch ihren einzelnen Gesellschaftern zugerechnet werden könnten, oder
allgemein gültige äußere Grenzen einer derartigen Zurechnung lassen sich
sonstigen Regelungen über die Rentenversicherungspflicht Selbstständiger
nicht entnehmen. Dies gilt insbesondere für den
Versicherungspflichttatbestand des § 2 Satz 1 Nr 8 SGB VI. Die
Vorschrift legt zunächst fest, dass - von bestimmten Ausnahmen abgesehen
- selbstständig tätige Gewerbetreibende, die in die Handwerksrolle
eingetragen sind und in ihrer Person die für die Eintragung in die
Handwerksrolle erforderlichen Voraussetzungen erfüllen,
versicherungspflichtig sind (Hs 1). Ist eine Personengesellschaft in die
Handwerksrolle eingetragen, gilt als Gewerbetreibender, wer als
Gesellschafter in seiner Person die Voraussetzungen für die Eintragung
in die Handwerksrolle erfüllt (Hs 2). Hs 2 aaO erklärt sich aus dem
Bestreben, nach Einführung der handwerksrechtlichen Möglichkeit, auch
Personengesellschaften als selbstständige Handwerker in die
Handwerksrolle einzutragen (Art 4 Nr 1 des Gesetzes zur Änderung der
Handwerksordnung <HwO> vom 9. September 1965, BGBl I 1254), Kontinuität
hinsichtlich der Versicherungspflicht der Gesellschafter zu wahren (vgl
hierzu und zur Entwicklung insgesamt Urteil des Senats vom 15. Juni
2000, B 12 RJ 4/99 R, SozR 3-2600 § 2 Nr 4). Die Anordnung ist schon
dort auf die selbst eintragungsfähigen Gesellschafter von
Personengesellschaften beschränkt und stellt bereits insofern eine
spezialgesetzliche Erweiterung der grundsätzlichen Versicherungspflicht
selbst in die Handwerksrolle eingetragener natürlicher Personen auf
Grund gesetzlicher Fiktion -"gilt"- dar. Die selbst nicht
eintragungsfähigen Betriebsleiter und Gesellschafter - selbst allerdings
ebenfalls eintragungsfähiger, § 7 HwO - juristischer Personen sind damit
von der Versicherungspflicht nach Nr 8 ausgenommen (vgl bereits zum
früheren Recht des Handwerkerversicherungsgesetzes Urteil des Senats vom
2. Juni 1982, 12 RK 13/82, SozR 5800 § 1 Nr 8).
30 Der Versicherungspflichttatbestand nach § 2 Satz 1 Nr 8 SGB VI ist
damit ua an die Eigenschaft als Gesellschafter einer
Personengesellschaft geknüpft und insbesondere durch die
handwerkerversicherungsrechtliche Besonderheit der Verbindung von
Eintragung - hier der Personengesellschaft - in die Handwerkerrolle und
Versicherungspflicht gekennzeichnet. Es bedürfte zunächst seiner darüber
hinausgehenden Erweiterung im Binnenbereich, um nur hier zusätzlich eine
Anwendbarkeit auch auf Gesellschafter einer juristischen Person zu
begründen. Schon hierfür gibt es keine methodische Grundlage (bereits
Urteil des Senats vom 2. Juni 1982 aaO; vgl zur unterschiedlichen
Behandlung von Personen- und Kapitalgesellschaften auch Klattenhoff in
Hauck/Haines, Kommentar zum SGB VI, Stand: X/05, § 2 RdNr 40b). Erst
recht ist nicht erkennbar, warum Nr 8 über den Sonderbereich der
Handwerkerversicherung und selbst bei Zugrundelegung eines "erweiterten
Verständnisses" maßstabsbildend auch im Rahmen der
rentenversicherungsrechtlichen Beurteilung neben die
Gesellschafterstellung tretender Beziehungen von Gesellschaftern zur
juristischen Person GmbH wirken könnte.
31 b) Ebenso wenig ist durch sonstige Normen eine Beschränkung der
Versicherungspflicht in Fällen der vorliegenden Art geboten.
Insbesondere gibt § 1 Satz 4 SGB VI weder Anlass, den Anwendungsbereich
von § 2 Satz 1 Nr 9 SGB VI teleologisch zu reduzieren (so wohl im
Ergebnis etwa Nägele, BB 2001, 305, 312), noch verstößt der Umstand,
dass es vorliegend an einer entsprechenden Regelung der
Versicherungsfreiheit fehlt, gegen Art 3 Abs 1 GG. Bei § 1 S 4 SGB VI
handelt es sich um eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift von der
Versicherungspflicht abhängig Beschäftigter und damit nach § 1 S 1 Nr 1
SGB VI versicherungspflichtiger Vorstandsmitglieder einer
Aktiengesellschaft (AG). Wie die Entstehungsgeschichte der
Vorläuferregelung der §§ 3 Abs 1a, 2 Abs 1a
Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) zeigt (BSG vom 18. September 1973,
12 RK 5/73, BSGE 36, 164 = SozR Nr 23 zu § 3 AVG, vom 22. November 1973,
12/3 RK 20/71, BSGE 36, 258 = SozR Nr 24 zu § 3 AVG; vom 27. März 1980,
12 RAr 1/79, SozR 2400 § 3 Nr 4 mwN), beruht die Herausnahme des
genannten Personenkreises auf der Erwägung, dass die AGen bei
typisierender Betrachtung zu den "großen Gesellschaften" gehören und
ihre Vorstandsmitglieder wegen der herausragenden und starken
wirtschaftlichen Stellung trotz abhängiger Beschäftigung
gruppenspezifisch nicht des Schutzes und der Sicherheit der
Rentenversicherung bedürfen (BSG vom 31. Mai 1989, 4 RA 22/88, BSGE 65,
113, 118 = SozR 2200 § 1248 Nr 48). Einer Übertragung dieses Gedankens
auf Fälle der vorliegenden Art steht bereits entgegen, dass es sich hier
um die Versicherungspflicht von Selbstständigen handelt und im Übrigen
eine typisierende Vergleichbarkeit der (Ein-Mann-)GmbH mit AGen von
vorne herein ausscheidet. Unter anderem im Blick hierauf hat der Senat
bereits mehrfach entschieden, dass die Regelung des § 3 Abs 1 Satz 4 SGB
VI - außer beim VVaG - nicht analog auf die Organe anderer juristischer
Körperschaften übertragbar ist (Urteil vom 19. Juni 2001, B 12 KR 44/00
R, SozR 3-2400 § 7 Nr 18 S 65 ff).
32 3. Der Senat kann mangels entsprechender Feststellungen nicht über
die Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheides vom 6. März 2003 entscheiden,
der gemäß § 96 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des
Berufungsverfahrens geworden ist und die Regelungen des Erstbescheides
vom 30. Januar 2001 vollständig ersetzt hat.
33 4. Die Kostenentscheidung bleibt dem Urteil des Berufungsgerichts
vorbehalten. Dabei wird hinsichtlich der vom SG ausgesprochenen
Verpflichtung des Klägers, 150,00 EUR an die Staatskasse zu zahlen
(Verschuldenskosten), zu berücksichtigen sein, dass eine missbräuchliche
Fortführung des Rechtsstreits vorliegend schon deshalb ausscheidet, weil
er zentral eine höchstrichterlich noch nicht entschiedene Fragestellung
betrifft. Darüber hinaus wird zu beachten sein, dass die bloße
Meinungsdifferenz mit dem Vorsitzenden Rechtsschutz Suchende
grundsätzlich nicht zwingt, auf ihr Grundrecht auf Zugang zum Gericht
und Entscheidung ihres Rechtsstreits durch das Urteil einer unabhängigen
Instanz aus Art 19 Abs 4 GG entweder zu verzichten oder ihr Recht -
anders als andere Beteiligte aus dem in § 183 SGG genannten
Personenkreis - nur gegen Zahlung von Kosten durchzusetzen. "
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