3.2 Modernisiertes Betreuungsrecht sorgt für Entbürokratisierung
Das Betreuungsrecht regelt, wie und in welchem Umfang für eine
hilfsbedürftige Person vom Gericht eine Betreuerin oder ein Betreuer
bestellt wird. Mit den Änderungen im Betreuungsrecht, die zum 1. Juli in
Kraft treten, kann besser als bisher unnötige Betreuung vermieden
werden. Sie sorgen auch für Entbürokratisierung und
Verfahrensvereinfachung im Betreuungswesen. Das ermöglicht es den
Betreuern, sich auf das Maßgebliche zu konzentrieren - auf das Wohl der
Betreuten.
Das Gesetz berücksichtigt die berechtigten Forderungen der Länder, durch
eine Pauschalierung der Vergütung und des Auslagenersatzes für
Berufsbetreuer den ernormen Anstieg der Betreuungskosten seit 1992 in
den Griff zu bekommen. Vormundschaftsgerichte und Berufsbetreuer müssen
sich nicht mehr wie bisher mit der Erfassung und Kontrolle der
vergütungsfähigen Minuten oder der einzelnen gefahrenen Kilometer
aufhalten. Statt dessen sorgen künftig Inklusivstundensätze, die
Vergütung, Auslagenersatz und Umsatzsteuer enthalten, für
Entbürokratisierung. Die Anzahl der zu vergütenden Stunden wird
pauschaliert und hängt davon ab, ob die Betreuten zu Hause oder im Heim
leben.
Die Länder erhalten zudem die Möglichkeit, die Auswahl der Person des
Betreuers den Rechtspflegern zu übertragen.
Schließlich stärkt das neue Recht die Vorsorgevollmacht, indem die
Beratungskompetenz der Betreuungsvereine und Betreuungsbehörden
erweitert wird und Betreuungsbehörden künftig Vorsorgevollmachten
beglaubigen können. Mit einer Vorsorgevollmacht können die Bürger einen
anderen Menschen bevollmächtigen, ihre Angelegenheiten zu besorgen, wenn
sie zu einem späteren Zeitpunkt dazu selbst nicht mehr in der Lage sein
sollten.
3.3 Höhere Freigrenzen bei der Pfändung von Arbeitseinkommen
Für Bürger, deren Arbeitseinkommen gepfändet wird, gelten ab 1. Juli
höhere Freigrenzen. Das bedeutet, dass den Schuldnern ein höherer
unpfändbarer Anteil des Arbeitseinkommens verbleibt. Der unpfändbare
Betrag erhöht sich nochmals, wenn der Schuldner
Unterhaltsverpflichtungen zu erfüllen hat. Je höher die Zahl der
Unterhaltsberechtigten ist, um so höher ist der pfändungsfreie Betrag.
Mit der Regelung soll sichergestellt werden, dass dem Schuldner im Falle
einer Pfändung seines Arbeitseinkommens der Betrag verbleibt, der zur
Sicherung seines Existenzminimums erforderlich ist.
Grundlage für die neuen Pfändungsfreigrenzen ist ein entsprechendes
Gesetz von 2001, wonach sich die Freigrenze grundsätzlich alle zwei
Jahre entsprechend der Entwicklung des steuerlichen Grundfreibetrages
ändert.
3.4 Neue Regelungen zur akustische Wohnraumüberwachung
Die akustische Wohnraumüberwachung kann als ultima ratio ein Mittel
zur Bekämpfung schwerer Formen von Kriminalität sein. Da die
Wohnraumüberwachung die Grundrechte der Betroffenen erheblich tangiert,
müssen aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit der Anwendungsbereich der
Maßnahme begrenzt und die Interessen der Betroffenen durch
Benachrichtigungspflichten bestmöglich gewahrt werden.
Das Bundesverfassungsgericht hatte mit Urteil vom 3. März 2004 die
akustische Wohnraumüberwachung im Grundsatz für verfassungsgemäß
erklärt, zugleich aber gefordert, dass im Gesetz Regelungen getroffen
werden müssen, um den absolut geschützten Kernbereich privater
Lebensgestaltung vor Abhörmaßnahmen zu schützen. Dieser Vorgabe trägt
die Bundesregierung Rechnung mit einer Gesetzesnovelle, die die
Anordnungs- und Durchführungsvoraussetzungen für die akustische
Wohnraumüberwachung deutlich erhöht und eine Vielzahl rechtsstaatlicher
Sicherungsinstrumente vorsieht.
Wesentliche Inhalte der neuen Regelung, die am 1. Juli in Kraft tritt,
sind:
Es muss der Verdacht einer besonders schweren Straftat gegeben sein.
Dies ist nur bei solchen Straftaten der Fall, für die das Gesetz eine
Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren vorsieht. Insbesondere sind
hier Kapitaldelikte wie Mord und Totschlag, banden- oder gewerbsmäßige
Verbreitung von Kinderpornografie sowie Straftaten terroristischer
Vereinigungen einbezogen.
Vertrauliche Gespräche zwischen sich nahestehenden Personen, die keinen
Bezug zu Straftaten aufweisen ("Kernbereich privater Lebensgestaltung"),
dürfen nicht abgehört werden. Die akustische Wohnraumüberwachung darf
deshalb nur noch angeordnet werden, wenn aufgrund tatsächlicher
Anhaltspunkte anzunehmen ist, dass keine Äußerungen aus diesem absolut
geschützten Bereich erfasst werden.
Beim Abhören von Gesprächen in Privatwohnungen muss deshalb in der Regel
live mitgehört werden, um das Abhören unverzüglich zu unterbrechen, wenn
solche Gespräche geführt werden.
Das Abhören von Gesprächen mit Berufsgeheimnisträgern, wie
Rechtsanwälten, Notaren, Wirtschaftsprüfern, Steuerberatern, Ärzten,
Beratungsstellen für Schwangerschaftskonflikte oder
Betäubungsmittelabhängigkeit, Abgeordnete, Medienmitarbeiter, etc. ist
unzulässig.
Werden im Einzelfall solche Gespräche dennoch versehentlich erfasst, so
sind die Aufzeichnungen zu löschen. Die erlangten Informationen dürfen
grundsätzlich nicht verwertet werden. Ausnahme: Zur Abwehr bestimmter
schwerwiegender Gefahren, z.B. durch bevorstehende terroristische
Anschläge.
Die akustische Wohnraumüberwachung darf nur von eigens dafür
eingerichteten spezialisierten Kammern bestimmter Landgerichte
angeordnet werden. Die anordnende Kammer ist über den Verlauf der
Maßnahme zu unterrichten. Damit ist sichergestellt, dass die Kammer
jederzeit die Unterbrechung der Maßnahme oder deren Abbruch anordnen
kann. Nach dem Abschluss der Überwachung sind die betroffenen Personen
(Beschuldigte, sonstige überwachte Personen, Inhaber und/oder Bewohner
der überwachten Wohnung) zu benachrichtigen, damit sie die Möglichkeit
erhalten, die Rechtsmäßigkeit der Anordnung und Durchführung der
Maßnahme nochmals gerichtlich überprüfen zu lassen.
Die Landesjustizverwaltungen müssen über die Bundesregierung dem
Deutschen Bundestag jährlich detailliert über die Maßnahmen der
akustischen Wohnraumüberwachung berichten. Diese Berichtspflicht wird
gegenüber dem geltenden Recht auf 12 Berichtspunkte ausgebaut, um die
parlamentarische Kontrolle der akustischen Wohnraumüberwachung nach Art.
13 Abs. 6 GG zu stärken.
3.5 Sperr-Notruf unter einheitlicher Rufnummer 116 116
Deutschland führt ab dem 1. Juli eine neue einheitliche Notrufnummer
116 116 zum Sperren von Medien wie zum Beispiel Kredit- und EC-Karten,
Handys, digitale Signaturen, Krankenkassenkarten, Mitarbeiter-Ausweise,
Kundenkarten oder sensible Online-Berechtigungen des Internets ein.
Für den Verbraucher bedeutet dieses weltweit neue Sicherheitssystem
einen deutlich besseren Schutz in Notfällen. Der Sperr-Notruf gilt für
Kunden mit Karten und Medien, deren Herausgeber sich dem Sperr-Notruf
angeschlossen haben. Kunden können den Herausgeber ihrer Medien fragen,
ob diese sich dem Sperr-Notruf bereits angeschlossen haben oder
anschließen werden.
Im Notfall ist die Sperrvermittlung täglich 24 Stunden über einen
gebührenfreien Anruf unter der Rufnummer 116 116 erreichbar. Aus dem
Ausland ist der Sperr-Notruf über +49 116 116 gebührenpflichtig
erreichbar. Zur 100-prozentigen Erreichbarkeit kann in der Anfangsphase
der Sperr-Notruf auch über die Berliner Rufnummer +49 30 4050 4050
erreicht werden.
Eingehende Anrufe werden in einem Call-Center entgegengenommen. In einem
persönlichen Gespräch ermittelt ein Call-Center-Mitarbeiter zusammen mit
dem Anrufer den jeweils zuständigen Herausgeber des zu sperrenden
Mediums. Nach Abschluss des persönlichen Gesprächs wird der Anrufer
nacheinander automatisiert mit den jeweils zuständigen Herausgebern
verbunden, die dann die Sperrung durchführen.